Widerstand nimmt neue Fahrt auf

Der massive Widerstand gegen die HGÜ-Trasse und ihre Erdverkabelung gewinnt wieder neu an Fahrt und nimmt neue Formen an. Bei der Bürgerinitiative "Speichersdorf sagt nein...." und dem Aktionsbündnis von Hof bis Neustadt an der Waldnaab entlang der geplanten Trasse ist man sich durchwegs optimistisch, dass das Vorhaben solange hinausgezögert werden kann, dass es sich dank Alternativen im Bereich regenerativen Energien und der Entwicklung technischer Speichervarianten erübrigt.

Auf breiter Front sollen deshalb mit der ansatzlos ungeklärten Kostenfrage, durch gerichtliche Klagen und durch augenfällige Massnahmen der Widerstand intensiviert und forciert werden. Nach dem bayernweiten Treffen des Aktionsbündnisses gegen die Süd-Ost-Trasse am 11. Februar in Bayreuth trafen sich Vertreter und Interessenten der BI Speichersdorf in der Fliegerschänke Strößenreuther, um Zwischenbilanz zu ziehen und die Weichen für die nächsten Monate zu stellen. "Wir haben erreicht, dass intensiver über Energiepolitik diskutiert und dass erdverkabelt wird. Doch die Trassen dienen nachwievor nicht der dezentralen Energiewende, und Speichersdorf ist nachwievor im Boot", so faßte BI-Sprecherin Annke Gräbner die Entwicklung zusammen. 800 Hinweise gibt es entlang dem Trassenverlauf, der von der Tauritzmühe bis Wirbenz/Teufelhammer Speichersdorfer Gemeindegebiet tangiert, gegeben.

Nichts war deshalb davon zu spüren, dass der Protest zwischenzeitlich im Sande verlaufen ist. Im Gegenteil: die Stimmung war von Entschlossenheit geprägt. Es wurde Klartext geredet, neue Fakten auf den Tisch gelegt. Es wurden Forderungen definiert und die vielversprechendsten Massnahmen erörtert. Deshalb wurden auch gleich an diesem Abend Nägel mit Köpfen gemacht. Von allen Anwesenden wurde unter anderem am Ende eine harrsche Stellungnahme zum 1. Entwurf des NEP 2030 unterzeichnet. Sie geht an die Netzagentur in Berlin. Darin sprechen sich alle Beteiligten ausdrücklich gegen den Netzausbau durch HGÜ-Trassen, insbesondere gegen den SüdOstLink, Planungsvorhaben DC 5 von Wolmirstedt nach Isar aus.

Von anhaltender Salamitaktik und großer Veräppelung der Bürger war die Rede.

Nicht zuletzt, weil seitens der Netzbetreiber zwischenzeitlich offiziell eingestanden wird, dass der Bau der HGÜ als Erdkabelkorridor SüdOstLink  von Wolmirstedt nach Isar überwiegend dem europäischen Stromhandel diene und dass überwiegend Kohle und Atomstrom durchgeschickt werden wird, so BI-Sprecherin Annke Gräbner.  Der Netzentwicklungsplan 2030 sieht Planungen über 2600 Kilometer Gleichstromtrassen und circa 9000 Kilometer Aufrüstungen und Neubau von Wechselstromleitungen vor. "Mit sechs bis sieben Prozent Verzinsung der Investitionen dienen die Planungen lediglich der Gewinnmaximierung der Übertragungsnetzbetreiber", kritisierte Gräbner. Der Bürger selbst habe nur die Wahl zwischen "Trassen oder Trassen oder Trassen", sagte sie süffisant. Auf Seite 276 werde die angebliche Notwendigkeit der SüdOstTrasse beschrieben. Nirgends finde sich eine Berechnung einer Variante, und schon gar keine, die vermehrt dezentrale Energieerzeugung berücksichtige, sagte sie. Als inakzeptabel wertete sie, dass von den Netzbetreibern der Bundesnetzagentur keine konkreten Berechnungen über mögliche Kosten vorgelegt würden. Die Netzagentur würde hier von den Netzbetreiber an der Nase herumgeführt. Denn die Übertragungsnetzbetreiber würden die Herausgabe der konkreten Zahlen an die Behörde verweigern unter Verweis auf deren Charakter als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Neben einer Öko-Bilanz fordern wir eine detaillierte Kostenschätzung sowie deren Transparenz in der Öffentlichkeit. Schätzungen würden horrende Dimensionen annehmen. "Wir brauchen sie nicht, aber müssen zahlen", so Gräbner Das Projekt könne sechs Milliarden oder 30 Milliarden oder 43 Milliarden oder auch das Dreifache von allem kosten, zitierte sie kursierende Zahlen. Bereits 2017 steht beim aktuellen Netzentgelt (23 % ) eine Steigerung ins Haus. Wie Gräbner vorrechnete kommen 2025 nach der niedrigsten Kostenschätzung auf einen Landwirt mit 15000 KW/h 750 Euro Mehrkosten, auf einen Vierpersonenhaushalt mit 4000 KW/h 200 Euro Mehrkosten zu. Wenn dann der Trassenbau zum Supergau werde wie der Berliner Flughafen oder bei der Elbphilharmonie dann zahle noch einmal mehr der Stromverbraucher die Zeche der Kostenexplosion. Die aktuellen Planungen sind nachwievor nur für die „Großen“ und deren wirtschaftlichen Bedürfnisse zugeschnitten, faßte Gräbner zusammen.

Gräbner sparte auch nicht mit Kritik, dass die Verantwortlichen nachwievor jedwede Möglichkeit nutzen würden, um den Widerstand zu untergraben. So sei mit dem 28. Februar als letzte Frist für eine Stellungnahme gegen den am 31. Januar veröffentlichten Netzwentwicklungsplan 2030 das Zeitfenster extrem kurz gehalten. Man wolle möglichst wenig Spielraum lassen für eine fundierte Beschäftigung, Abstimmung und Reaktion der Gegner. "Da haben sie aber die Wirkkraft des Aktionsbündnisses und unseren Elan unterschätzt", so Gräbner.

Der aktuelle Netzentwicklungsplan kann unter https://www.netzentwicklungsplan.de/de/konsultation-2017 abgerufen werden.

Stellungnahmen können bis 28.02.2017 eingereicht werden. Am 8. März lädt TenneT zum 3. Planungsbegleitenden Forum nach Speichersdorf in den Landgasthof Imhof ein - unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Am 13. März findet in Neustadt /Waldnaab in die Stadthalle (9:45 Uhr bis  13 Uhr) ein weiteres planungsbegleitendes Forum statt. "Wir sind auf jeden Fall vor Ort, mit unseren gelben BI-Warnwesten", so Gräbner. "Wir können uns leider nicht mehr an Masten ketten", so Gräbner weiter. Mit Bannern, Slogans und Plakaten soll die dezentrale Wende in Köpfe verankert werden.

Große Hoffnung setzen die Speichersdorfer auch auf die Beschwerde vor der UN gegen das Umweltrechtsbehelfsgesetz und damit den Netzentwicklungsplan. Laut der seit 2007 für Deutschland gültigen Aarhus-Konvention, die eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren regle, sei der Netzentwicklungsplan nicht rechts-konform, so Gräbner. Aarhus aber verlange in Umweltangelegenheiten eine Öffentlichkeitsbeteiligung und einen Gerichtszugang für Einzelpersonen und Umweltverbände. Das dies bei den Leitungen im Netzentwicklungsplan ausgehebelt sei seien die HGÜ-Trassen Schwarzbauten.

Gräbner forderte auch Landwirte und Grundstückseigentümer, die zwangsenteignet werden, sowie alle Betroffenen auf, bereits bei ihrer Rechtsschutzversicherung Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Bei der Festlegung des 1000 Meter Korridors muss bereits Klage eingereicht werden.

Diese Klagen haben Auswirkungen, wie die Planung und Durchsetzung der Trasse von statten geht, so Gräbner. Denn die weitere Terminplanung von TenneT sehe im März den ersten Antrag auf Bundesfachplanung nach § 6 Netzausbaubeschleunigungsgesetz NABEG bei der Bundesnetzagentur vor. Dann beginne das formelle Genehmigungsverfahren. Darin werde ein Vorzugskorridor und alle ernsthaft in Betracht kommende Alternativen vorgestellt. Beim Vorzugskorridor handele es sich nur um einen Vorschlag auf Basis des aktuellen Kenntnisstands, was aus fachlicher Sicht am Geeignetsten wäre. Es werden alle in Betracht kommenden Alternativen gleichrangig ins Verfahren eingebracht. Im Rahmen des formellen Genehmigungsverfahrens werden weitere Untersuchungen angestellt, so dass sich die Bewertung der Korridore weiterhin ändern kann. Am Ende des Verfahrens voraussichtlich Ende 2018 steht dann ein 1000 Meter Korridor fest. 

 Text und Bild: Dr. Wolfgang Hübner